, von Jürgen Beier

Der Anthrazit-Faktor

Jürgen Beier, DSV-2237

 

Der Anthrazit ist eine der noch unpopulären Mutationen beim Wellensittich, die aus meiner Sicht leider noch viel zu selten auf Ausstellungen zu sehen ist, obwohl es bei der DSV schon eine eigene Klasse innerhalb der schwierigen Farbschläge und eine gute Farbmusterbeschreibung dafür gibt. Zum ersten Mal traten Anthrazit im Jahr 1998 in der Zucht des mittlerweile verstorbenen Hans-Jürgen Lenk in Deutschland auf. Sie wurden dann von ihm und Gerd Bleicher hinsichtlich ihrer Vererbung untersucht und auf breiterer Basis gezüchtet. Von dort aus breiteten sie sich in ganz Europa und mittlerweile in der ganzen Welt aus.

 

Vom Erscheinungsbild zeichnet sich diese Mutation laut DSV Farbmusterbeschreibung 39b (Stand 2023) durch ein dunkel anthrazitfarbiges Körpergefieder aus. Ansonsten sind die Wangenflecken bei doppelfaktorig bzw. zweifaktorig Anthrazit (DFA oder 2FA) ebenfalls dunkel anthrazitfarbig.

 

Der Anthrazit vererbt äquivalent zum Violettfaktor. Dadurch ergeben sich folgende Verpaarungen bei doppelfaktorigen (DFA) und einfaktorigen (EFA):

 

DFA x DFA = 100% DAF
DFA x EFA = 50% DFA
        50% EFA
EFA x EFA = 25% DFA
        50% EFA
        25% Ohne Faktor Anthrazit
DFA x Normal = 100% EFA
EFA x Normal = 50% EFA
        50% Normal

 

 

 

Hinsichtlich der visuellen Erscheinung von EFA und DFA ist Folgendes zu beobachten: 

  • Einfaktorig Anthrazit:
    • In der Grünreihe wird aus Hellgrün visuell Dunkelgrün. Sie sind nicht eindeutig von Normal Dunkelgrünen zu unterscheiden.
    • In der Blaureihe wird aus genetisch Hellblau visuell Dunkelblau. Bei einigen genetisch hellblauen EFA kann man einen anthrazitfarbig geprägten Wangenfleck erkennen. Bei über 250 gezüchteten EFA in der Blaureihe in den letzten Jahren kann ich bestätigen, dass es auch genetisch hellblaue EFA gibt, die sich am Wangenfleck in nichts von einem Normal Dunkelblauen oder Hellblau Violetten unterscheiden; folglich ist die genaue Kenntnis der Abstammung beim Kauf wichtig.
    • In der Graureihe bleibt die Körpergrundfarbe bei Normal Grau einfach grau, die Wangenflecke zeigen einen anthrazitfarbig geprägten Wangenfleck. Dieser ist eindeutig erkennbar, aber auch leicht mit den Wangenflecken eines Grauen mit Violettfaktor zu verwechseln.
    • In der Kombination mit einem Dunkelfaktor wirkt der Anthrazitfaktor wie ein zusätzlicher Dunkelfaktor: aus genetisch dunkelgrün EFA wird visuell Olivgrün, aus genetisch dunkelblau EFA wird visuell Mauve.
    • Die Kombination mit einem Violettfaktor ist spannend, hier wirkt der Athrazitfaktor ebenfalls wie ein Dunkelfaktor: ein genetisch hellblauer EFA mit einem Violettfaktor ist visuell Violett, mit einer aus meiner Sicht beeindruckenden Leuchtkraft.
  • Doppelfaktorig Anthrazit:
    • In der Grünreihe wird aus genetisch hellgrün visuell Olivgrün. Somit kann der Anthrazitfaktor Grün nicht überdecken, sondern nur verdunkeln, ähnlich wie der Violettfaktor bei Grünen.
    • Blau wird komplett unterdrückt bzw. überdeckt: genetisch hellblaue DFA sind Anthrazitfarbig. Einige haben als Babyvögel noch ein etwas blasseres Gefieder im Vergleich zu anderen und hier insbesondere Opalin; dieses korrigiert sich nach der ersten Mauser.
    • Grau wird komplett überdeckt: DFA Graue sind visuell von DFA Hellblau in nichts zu unterscheiden; weder die Farbe der Füße noch die der Wangenflecken lassen einen eindeutigen Schluss zu, ob Blau oder Grau verdeckt wird. Bei DFA hilft nur eine Rückverpaarung an Hellblau, um die Grundfarbe des Vogels ermitteln zu können.
    • In der Kombination mit einem Dunkelfaktor wirkt der DFA noch intensiver und leuchtender. Die Kombination dunkelfaktorig DFA der Blaureihe macht in der Zucht mit Grau oder Blau nur insofern Probleme, dass man den Dunkelfaktor bei Vorliegen des Graufaktors nicht mehr eindeutig verfolgen kann.
    • Bei der Kombination mit einem Violettfaktor ist zu erwarten, dass die Körperfarbe der DFA noch intensiver und leuchtender wird. Hier muss noch nachgewiesen werden, wie sich der Anthrazitfaktor gegenüber doppelfaktorigen Violetten verhält.

 

Mein Ziel ist es, den Anthrazit in den meisten gängigen Zeichnungsarten züchten und ausstellen zu können, äquivalent zu den Violetten. Bis jetzt habe ich DFA in Zimt und Zimtopalin gezogen, auch um zu zeigen, dass diese Vögel zu den gleichen Zeichnungen in Grau eindeutig zu unterscheiden sind. Mein erster DFA Europäisch Gelbgesicht ist eine sehr schön anzusehende Kombination. Ebenso sind Spangle und A-Schecken in DFA sehr attraktiv aufgrund der intensiven Abgrenzung des Anthrazits zum Weiß. Ich konnte auch beobachten, dass der Anthrazitfaktor einen sehr positiven Einfluss auf die Flügelzeichnung der Spangle und Normalvögel hat, hier scheint es, dass Pigmentausfälle und Opalisieren zurückgedrängt werden.

 

Mich würde freuen, wenn noch mehr Züchter daran arbeiten würden, Anthrazitvögel in Normal und auch verschiedenen anderen Zeichnungen zu züchten, wie z.B. Hellflügel oder Rezessive Schecken.